
Quelle: ECHO Online 5.12.2015 Ralf Heidenreich
INTERVIEW - Paul Ebsen von der Bundesagentur für Arbeit hat Tipps für Arbeitgeber
Viele Flüchtlinge bringen Erfahrung und Kenntnisse mit, die man auf dem deutschen Arbeitsmarkt sehr gut gebrauchen kann. Arbeitgeber müssen vor Einstellungen aber einiges beachten, wie Experte Paul Ebsen von der Bundesagentur für Arbeit erläutert.
Grundsätzlich sieht auch die Bundesagentur viele Chancen für den deutschen Arbeitsmarkt.
ECHO - Herr Ebsen, viele Unternehmen wollen helfen und bieten für Flüchtlinge Praktikums- und Ausbildungsplätze an. Aber haben nicht auch die Unternehmen was davon?
Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels lohnt es sich, neue Wege zu gehen. Dazu gehört auch, die Potenziale von geflüchteten Menschen stärker in den Blick zu nehmen. Geflüchtete Menschen bringen oft verwertbare berufliche und soziale Kompetenzen und Erfahrungen aus ihren Herkunftsländern mit. Dazu gehören schulische und berufliche Bildungsabschlüsse, Arbeitserfahrung sowie Mehrsprachigkeit, Flexibilität und interkulturelle Erfahrung. Diese Kompetenzen zahlen sich am Arbeitsplatz aus. Oftmals bringen sie auch eine überdurchschnittliche Motivation, Eigeninitiative sowie eine hohe Lern- und Leistungsbereitschaft mit, die auch zum Teil fehlende Sprachkenntnisse und Zeugnisse kompensiert.
ECHO- Asylbewerber, anerkannte oder geduldete Flüchtlinge: Wen können die Betriebe überhaupt einstellen?
Anerkannte Asylbewerber und Flüchtlinge sowie geduldete Flüchtlinge mit einer – befristeten – Aufenthaltserlaubnis dürfen mit Zustimmung der Ausländerbehörde beschäftigt werden. Bei Asylsuchenden mit Aufenthaltsgestattung und Personen mit Duldung müssen die Arbeitgeber jedoch beachten, dass die Ausländerbehörde nach drei Monaten eine Arbeitserlaubnis nach Vorrangprüfung erteilen kann. Für Asylsuchende und Geduldete, die seit 15 Monaten ununterbrochen in Deutschland sind, entfällt die Vorrangprüfung. Nach vier Jahren Aufenthalt muss die Bundesagentur für Arbeit bei der Entscheidung der Ausländerbehörde gar nicht mehr beteiligt werden. Im Zweifel sollte man sich an die Agentur für Arbeit wenden.
ECHO -Was ist zu beachten, wenn Unternehmen einen Ausbildungsplatz besetzen wollen?
Schulische Berufsausbildungen sind für Asylsuchende und Geduldete rechtlich immer möglich und müssen nicht durch die Ausländerbehörde genehmigt werden. Betriebliche Berufsausbildungen können Asylsuchende ab dem vierten Monat und Geduldete, sofern kein Arbeitsverbot vorliegt, ab der Erteilung der Duldung beginnen, sofern die Ausländerbehörde dies erlaubt. Für den konkreten Ausbildungsplatz muss bei der Ausländerbehörde individuell eine Beschäftigungserlaubnis beantragt werden.
ECHO - Wie findet ein Arbeitgeber potenzielle Kandidaten?
Interessierte Arbeitgeber wenden sich zweckmäßigerweise an ihren regionalen Arbeitgeber-Service der Agentur für Arbeit, bei der bereits in den Erstaufnahmelagern die ersten Integrationsgespräche stattgefunden haben. Hierbei werden neben den Kompetenzchecks auch die beruflichen Tätigkeiten aufgenommen. Daneben können auch über die Landesnetzwerke des bundesweiten Förderprogramms „Integration durch Qualifizierung“ oder die Netzwerke des Bundesprogramms „Integration von Asylsuchenden und Flüchtlingen“ entsprechende Arbeitskräfte gesucht werden.
Das Interview führte Ralf Heidenreich.
Siehe auch: Vom Flüchtling zur Fachkraft