
Quelle Echo 28.10.2015
Eine private Initiative sorgt für kostenlose, schnelle Internetzugänge für drei Asylbewerberquartiere
Von Samstag an haben die Bewohner dreier Flüchtlingsunterkünfte in Heppenheim kostenlosen Zugang zu einer schnellen Internetverbindung. Das sei kein Luxus, sondern lebensnotwendig, betonen Mitglieder des Vereins Freifunk Rhein-Neckar, der den Anschluss bewerkstelligt hat.
Seit 2014 bemüht sich die Initiative, mittels moderner Technik und freiwilliger Mitarbeit, möglichst viele Räume zwischen Hockenheim (Rhein-Neckar-Kreis) und Zwingenberg mit frei verfügbarem WLAN, also drahtloser Verbindung ins Internet, auszustatten.
Ein Teil der Heppenheimer Innenstadt ist bereits versorgt, indem Privatleute und Gewerbetreibende ihre eigenen Anschlüsse zur Einrichtung eines parallelen Netzes zur Verfügung stellen. „Jetzt wird die Gegend um die Flüchtlingsunterkünfte Briefelstraße und Friedensstraße an eine breitbandige Internetverbindung angeschlossen“, erklärt Freifunker Marcus Bickel aus Heppenheim.
Richtfunkantenne auf dem Dach des DRK
Technik braucht es dazu nicht allzuviel. Ein Mitglied der Heppenheimer Flüchtlingshilfe, das in der Straße „Am weißen Rain“ am Eingang des Hambacher Tals wohnt, teilt seinen Anschluss zur Installation des Freifunker-Netzes. Um ans Ziel zu kommen, musste freilich auf dem Dach des DRK-Gebäudes in der Weststadt eine Richtfunkantenne aufgestellt werden; mit ihrer Hilfe werden die Daten zu den sogenannten Routern im Zielgebiet östlich der Bahnlinie geleitet. 100 Meter misst das Funkfeld einer solchen Internet-Relaisstation.
Einige Router stehen sogar in den Unterkünften der Asylbewerber, möglich gemacht hat das die Heppenheimer Flüchtlingshilfe mit einer Spende von zehn Geräten. Dafür sind die Freifunker dankbar, aber der Kreis der Helfer ist noch größer: „Das DRK hat uns sehr unterstützt“, sagt Bickel, das gelte auch für einige Firmen in der Nähe der Flüchtlingsquartiere. Da helfe es auch, nur einen Router aufzustellen, selbst wenn gar kein eigener schneller Netzanschluss vorhanden ist.
Schon jetzt haben die Asylbewerber die Möglichkeit, über das kleine Daten-Verteilnetz der Freifunker ins Netz zu gehen. „Das reicht aber höchstens für Facebook“, sagt Bickel. „Schon bei Skype wird es bröckelig.“
Genau darum, um den Kontakt via Ton und Bild zwischen Menschen in weit voneinander entfernten Bildern, geht es bei der Vernetzung des Quartiers. „Der Zugang zum Internet und die freie Kommunikation sind quasi Grundrechte“, sagt Ben Oswald, Mitglied des Freifunker-Vorstands. Das Erste, was ein Asylbewerber nach langer Flucht tue, sei die Kontaktaufnahme mit der Heimat. „Und telefonieren ist extrem teuer“, ergänzt Oswald. Marcus Bickel ergänzt:
„Wenn wir selbst flüchten würden, hätten wir auch keinen Teddy dabei,
sondern ein Handy.
Es ist ein Überlebenswerkzeug.“ Kritik an der angeblich sündteuren Ausstattung vieler Asylbewerber mit Mobiltelefonen und Tablet-PCs lassen die Freifunker nicht gelten: „Die haben eben nicht die topaktuellen Smartphones“, sagt Marcus Bickel. Richtig teuer war dagegen die Richtfunktechnik auf dem Dach des DRK. 700 Euro wurden ausgegeben, rechnet Oswald vor; alles sei durch Spenden gedeckt.
Ein Somalier leistet Überzeugungsarbeit
Nun profitiert ein kleines Heppenheimer Stadtviertel vom freien Zugang zum Netz. Vor allem bei den dort lebenden Flüchtlingen sei die Freude groß, erzählen die Freifunker. Ein Somalier sei ihr Kontaktmann in den Quartieren – ein Flüchtling, der selbst eine Ausbildung zum IT-Experten durchlaufen habe. Über den Somalier wurden die Asylbewerber auf dem Laufenden gehalten über die künftige Errungenschaft. Der Mann habe ganze Arbeit geleistet, die Bewohner von der Idee zu überzeugen.
HINTERGRUND
KOSTENLOS UND RISIKOFREI INS INTERNET
Seit 2014 bemüht sich Freifunk Rhein-Neckar, ein gemeinnütziger Zusammenschluss von 40 Privatleuten, um die Einrichtung eines möglichst weitgespannten WLAN-Netzes in der Region.
Es soll jedermann kostenlosen Zugang ins Internet ermöglichen. Möglichst viele Privat- oder Geschäftsleute öffnen mit ihren sogenannten Routern WLAN-Netze für jeden, der sich mit seinem elektronischen Endgerät im bis zu 100 Meter messenden Funkfeld des Anschlusses befindet.
Der Weg ins Netz führt über Server des Vereins; damit kann der Inhaber des Netzanschlusses nicht haftbar gemacht werden, falls jemand etwa illegal Dateien herunterlädt.
Mit Hilfe einer vom Verein gestellten Software wird an einem privaten Anschluss ein eigenes Freifunk-WLAN geriert. Über Router, die für 20 Euro zu haben sind, wird ermöglicht, dass jeder das Netz nutzen kann. Wer seinen Anschluss dafür öffnen möchte, braucht nicht Mitglied des Vereins zu sein. Dieser stellt Software und technischen Support. Wer nicht mehr dabei sein will, kann das System von Jetzt auf Gleich deaktivieren.
Insgesamt hat Freifunk Rhein-Neckar bislang auf diese Weise 300 aktive Zugangspunkte in der Region geschaffen; Schwerpunkte sind nach eigenen Angaben Eppelheim bei Heidelberg und Mannheim. Im Kreis Bergstraße gibt es weitere Knoten in Bensheim, Lorsch, Lampertheim, Bürstadt, Fürth, Birkenau, Grasellenbach und Abtsteinach