Yussuf - Wie eine Therapie für mich

Quelle Darmstädter Echo 2.10.2015 Sebastian Philipp

 

In einem Buch verarbeitet Yussuf Mohamed die Geschichte seiner Flucht aus Somalia

 

Vor zwei Jahren floh Yussuf Mohamed aus Somalia nach Deutschland. Jetzt schreibt der Zwanzigjährige ein Buch über die traumatischen Erlebnisse.

 

Es sind Bilder in seinem Kopf, die er vielleicht nie vergessen wird. Und doch lacht Yusuf Mohamed viel, sagt selbst, dass er okay ist. Das war nicht immer so – und erst jetzt ist er soweit, dass er das Projekt umsetzen kann, mit dem er im April begann: Der Zwanzigjährige aus Somalia schreibt ein Buch. „Wir haben 200 Seiten geplant, aber ich denke, es werden eher 250 Seiten“.

 

Zwei Jahre ist Yusuf Mohamed jetzt schon in Deutschland, kam als Flüchtling hierher und ist von der Asylunterkunft in der Sandwiese in diesem Jahr in eine kleine Wohnung in Alsbach gezogen. „Zwei Jahre hat es gedauert, um mir klar zu werden, ob ich meine Geschichte niederschreiben will“, sagt er in gut verständlichem Englisch. Denn das Buch, das Mohamed wahrscheinlich im nächsten Monat fertigstellen wird und auf dem unter dem Titel „Mirages of Sahara“ möglicherweise sein Konterfei zu sehen ist, erzählt nicht weniger als jene Kapitel seiner Lebensgeschichte, die eine Flucht aus Somalia nach Deutschland beschreiben.

 

„In meinem Buch gehe ich näher darauf ein, jeden Schritt auf dem Weg und die Menschen, die ich kennengelernt habe.“ Der junge Mann schmunzelt und bedankt sich, dass er seine Geschichte erzählen darf. Dabei ist sie alles andere als leichte Kost. Erst Somalia, von dort Äthiopien, dann in den Sudan. „Wir sind Tage um Tage gelaufen.“ Nicht alle Episoden will Mohamed im Gespräch genau schildern. Aber natürlich habe er Geld an Schleuser und Schmuggler bezahlt. „Ohne sie kommst du nicht über die Grenze.“ Gemeinsam mit seinem besten Freund und knapp 40 Leuten ging es zu Fuß durch die Sahara. „In der Wüste sind 19 von ihnen gestorben, darunter mein Freund.“ Hunger und Durst, viele haben es nicht geschafft. Mohamed hat Leute sterben sehen, Frauen, die mit der Pistole am Kopf weggeführt wurden und als Vergewaltigungsopfer zurückkamen. Dinge, über die er erst jetzt sprechen kann. „Das Buch ist auch so eine Art Therapie für mich.“

 

Die Familie musste er zurücklassent. Natürlich sei er über Facebook oder den Nachrichtendienst WhatsApp noch mit ihnen verbunden, Vater, Mutter, zwei Schwestern und drei jüngere Brüder. „Wir sind ja im 21. Jahrhundert“, sagt Yusuf Mohamed. Und natürlich habe er vor seiner Flucht auch von den Gefahren gehört, die so eine Reise durch die Wüste und über das Mittelmeer mit sich bringt. „Du hörst zwar, dass Menschen sterben, aber am Ende akzeptierst Du das Risiko oder willst es nicht sehen.“ Niemand riskiere gerne sein Leben – doch gerade die jungen Menschen, wie es heute auch an den vielen in Deutschland eintreffenden Syrern zu sehen sei, sehen keine Perspektiven in ihrem Land. „Es gibt keinen Frieden, keine Möglichkeiten, keine Gesundheitsversicherung, keine Ausbildung, keine Jobs.“

 

Wenn Yusuf Mohamed erzählt, ist es, als ob er sagt: Da ist kein Leben mehr in unserer Heimat. „Du kannst nur entweder zur Armee gehen oder dich den Milizen anschließen.“ Wer jeden Tag Explosionen erlebe, verliere irgendwann die Hoffnung auf Frieden. Dann blicke man auf die alten Menschen der Gesellschaft, die nichts in ihrem Leben gesehen hätten außer Kämpfe und irgendwann fiel der Entschluss: Weg von hier, nach Europa.

Noch hat Mohamed für das Buch, das er gemeinsam mit einem erfahreneren Autor und Freund, Malick Mohamood, schreibt, keinen Verleger. „Aber das sehe ich, wenn das Buch fertig ist.“ Was die Zukunft bringt? „Ich weiß ja nicht mal genau, was morgen ist.“

 

Dabei ist Mohamed, der mittlerweile einen Job gefunden hat, inzwischen zu einem durchaus gefragten Gesprächspartner geworden. Er verarbeitet seine Geschichte nicht nur in seinem Buch, er hat auch schon mehrfach vor Schülern der Melibokusschule in Alsbach, der Lichtenbergschule in Darmstadt oder auch der Internationalen Schule in Seeheim-Jugenheim gesprochen.

 

„Alle Menschen, die ich hier getroffen habe, sind gut zu mir“, sagt Mohamed auf seine Weise „Danke“ und gibt dann doch noch einen Denkanstoß: „In Deutschland beschweren sich so viele Leute über simple Dinge. Sie erzählen, dass sie ein hartes Leben haben. Dabei gibt es da draußen Menschen, die jeden Tag für ihr Essen kämpfen müssen.“